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Naturbezogenheit in der frühesten Menschheits-Entwicklung

Der Ursprung des Naturismus liegt in der Naturbezogenheit in der frühesten Menschheitsgeschichte. Frühe Menschen waren sehr eng in die sie umgebende Natur einbezogen und weitestgehend von ihr abhängig. Nachdem die ersten Menschen beginnen konnten, mit ihrem größeren Gehirn sich selbst und ihre Existenz zum Gegenstand ihrer Gedanken zu machen, war das Bewusstsein dieser Abhängigkeit überwältigend, denn es fehlte für sehr viele Naturvorgänge eine Erklärung. In allen frühen Kulturen entwickelte sich daher ein Kult zur Verehrung der Naturkräfte: Sei es das Jagdglück, die Fruchtbarkeit der Felder, die gute Ernte, die Fortentwicklung der eigenen Familie und des eigenen Stammes - für das Erreichen aller Ziele, die den Menschen zum Überleben erforderlich waren, wurden die Kräfte der Natur angerufen.
Diese naturverbundene Einstellung blieb über hunderttausende von Jahren hinweg erhalten. Was zunächst durch direkte Anrufung der Kräfte der Natur erfolgte und auch durch Opfergaben begleitet wurde, entwickelte sich spätestens in den uns bekannten, alten Kulturen, bald zu einem Götterkult. Die Götter bildeten sich durch Personifizierung der Naturkräfte in der Phantasie der Menschen, und pfiffige Geschäftemacher bauten die Götter-Idee zu einem einträglichen Geschäft aus: Sie gaben sich als Botschafter der Götter aus, gaben vor, deren Sprache zu verstehen, und behielten einen ordentlichen Teil der Opfergaben für sich. So entstand das Priestertum als eine Kaste, die ein einträgliches Geschäft betrieb, ohne wirklich dafür arbeiten zu müssen - ein Erfolgsrezept bis heute.
Für das Licht, ohne das kein Leben auf Erden denkbar ist, wurde der Sonnengott verehrt, in Ägypten Aton, in Babylon Samasch. Für die Fruchtbarkeit war meist eine Göttin zuständig, in Ägypten hieß sie Hapi, während die Männer sich an den Gott der Zeugungskraft halten mussten, in Ägypten hieß er Min, in Griechenland Pan. Die Göttin der Liebe hieß in Ägypten Hathor, während bei den Germanen Freya für diesen Bereich zuständig war. Der ägyptische Gott des Windes, Amun, hatte bei den Germanen mit Thor (oder Donar) einen populären Götterkollegen.
Der ägyptische Sonnengott Aton lässt seine Hände an Strahlen herab auf Echnaton und Nofretete mit drei Kindern. Public Domain
Durch die Personalisierung der Naturkräfte durch Gottheiten wurde der direkte Naturbezug teilweise zurückgedrängt, aber die Natur als lebensspendende Umgebung des Menschen rückte im Laufe der Geschichte immer dann wieder in das Bewusstsein und den allgemeinen Focus, wenn Ereignisse eintraten, die das Leben bedrohten. Dazu gehörten lokale Katastrophen wie extreme Wetterereignisse, Erdbeben, Vulkanausbrüche ebenso wie Epedemien oder globale Klimaveränderungen. In derlei Situationen besannen sich die Menschen immer darauf, dass sie Teil der Natur sind und nur in Harmonie mit ihr überleben können - auch wenn die Götter und Priester die in sie gesetzten Erwartungen meist nicht erfüllen konnten.

Naturismus ist die Rückbesinnung des Menschen auf seine Existenz als Lebewesen in der irdischen Natur.

Eine solche Rückbesinnung erfolgte u. a. im 19. Jahrhundert, nachdem der Mensch sich durch die Industriealisierung von einer naturverbundenen Lebensweise mehr und mehr entfernt hatte und die Lebensbedingungen für einen Großteil der Menschen ziemlich schlecht waren. Das Wort »Naturismus« wird heute im wesentlichen für die Entwicklungen verwendet, die in dieser Zeit ihren Anfang nahmen. Ziel dieses Abschnitts ist es, die Geschichte des Naturismus mit seinen verschiedenen Ausprägungen zu beleuchten, vor allem auch den Aspekt der Nacktheit, und wir gehen dazu bis an den Anfang der menschlichen Geschichte zurück.
Der Beginn des Menschen als eine Species der Primaten liegt ca. 6 Millionen Jahre zurück. Seitdem haben sich die Menschen einerseits und unsere engsten Verwandten, die Schimpansen und Bonobos andererseits (mit denen der Mensch noch gemeinsame Vorfahren hatte) unabhängig voneinander weiter entwickelt.

Der Vergleich der Entwicklungen zeigt deutliche Unterschiede:

Kriterium Schimpansen Bonobos Menschen
Gehirngröße geringe Zunahme geringe Zunahme starke Zunahme
Anatomie geringe Änderung geringe Änderung Änderung zum aufrechten Gang
Geistige Entwicklung geringe Steigerung geringe Steigerung starke Steigerung in Verstand, Abstraktion, Intentionalität, Sprache, Schrift
Innere Soziale Struktur Rudel mit dominantem Rudelchef, hierarchische Struktur innerhalb des Rudels Rudel mit gleichberchtigtem und friedlichem Zusammenleben Rudel mit Herrscher-Strukturen, Verkleinerung sozialer Kernzellen zur Familie, Desozialisierung, Gewaltausübung auch innerhalb der eigenen Gruppe bis hin zum Mord 1)
Äußere Soziale Struktur Verteidigung eigener Ressourcen, kriegerische Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Gruppen einschl. Tötung von Individuen 1) Verteidigung eigener Ressourcen Aggressivität, Eroberung fremder Ressourcen, kriegerische Auseinandersetzungen einschl. Tötung 1)
Kleidung - - Prestige, Kälteschutz, Intimsphäre
Domestizierung Revier Revier Siedlung, Staat
Werkzeuge Nutzung Nutzung Nutzung, Herstellung, Entwicklung komplexer Technik
Industrialisierung - - Ausbeutung der Umwelt bis hin zur Zerstörung

1) Schimpansen und Menschen sind die einzigen bekannten Spezies, die in Kämpfen bis zur Tötung gehen - alle anderen Lebewesen brechen ihre Kämpfe ab, bevor es zu ernsthaften Verletzungen kommt. Zum Mord (innerhalb der eigenen sozialen Strukturen) kommt es aber fast nur beim Menschen - und nur sehr vereinzelt in Schimpansen-Rudeln. Ursache dafür sind wohl die menschlichen (!) Gefühle wie Hass, Neid, Habgier und Machtsucht, die ein komplexeres Gehirn voraussetzen.
Übrigens: Von Hans Magnus Enzensberger stammt das Zitat „Der Mensch ist der einzige unter den Primaten, der die Tötung seiner Artgenossen planvoll, in größerem Maßstab und enthusiastisch betreibt.“

Der Weg der Menschheit durch die Geschichte ist also wesentlich geprägt durch
  • ► zunehmende geistige und technische Fähigkeiten und Fertigkeiten,
  • ► zunehmende Domestizierung über Nomadentum bis hin zur Verstädterung,
  • ► zunehmende Verlagerung des sozialen Schwerpunkts vom Rudel auf Familie und Individuum,
  • ► abnehmende Abhängigkeit des Individuums von seiner sozialen Integration,
  • ► zunehmende Ausbeutung des natürlichen Lebensraums Planet Erde.
Die Rückbesinnung der Menschen auf den Naturismus beinhaltet insbesondere die Kriterien
1. Innere und Äußere Soziale Struktur:
Naturisten begegnen anderen Menschen mit Achtung und Rücksicht, gewaltfrei und mit Zuwendung.
2. Kleidung:
Wo es konfliktfrei möglich ist, verzichten Naturisten auf Kleidung und respektieren die Vielfalt der Natur auch unter den Mitmenschen.
3. Industrialisierung:
Naturisten nehmen Rücksicht auf die Natur und entnehmen ihr nur, was nachwachsen oder ihr durch Recycling zurückgegeben werden kann.

Gliederung

Wir beginnen unseren Abriss zum Thema Naturismus mit der Geschichte des Nacktseins, die den Menschen und allen Tieren bis vor wenigen tausend Jahren gemein war.
Ein zweiter Bereich ist die Wandlung der sozialen Strukturen, die uns vom Rudel bis zu unserer heutigen Verstädterung geformt hat.
Der dritte Themenbereich ist der Psychologie gewidmet, wo man sich kluge Gedanken darüber macht, was Scham ist, wofür man sich schämen kann und wofür nicht.
Die Rückbesinnung der Menschen auf ihren Naturbezug, die sich nach der Natur-Entfremdung durch die Industriealisierung im 19. Jahhundert als »Naturismus« etablierte, und der weitere Weg bis heute ist das nachfolgende Thema.
Abschließend werden noch eine Zeittafel sowie ein paar kluge Gedanken und literarische Leckerbissen zum Thema Nacktheit und Naturismus angeboten.

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